Die Kindheit

Am 2. November 1916, mitten im 1.Weltkrieg, wurde Hans Müller in seinem Bürgerort Weite-Wartau SG geboren. Weite liegt am Fusse des Gonzen, der Gauschla und des Alvier, direkt am Rhein im St.Galler-Oberland und grenzt an das Fürstentum Liechtenstein. Sein Vater war Sticker in der damaligen Stickerei Bachert & Co in Trübbach. Nebenbei betrieb er als Kleinbauer noch etwas Landwirtschaft und Ackerbau, hauptsächlich für den Eigenbedarf. Somit ergab es sich von selbst, dass die Mutter von Hans Müller neben dem Haushalt sich auch in Stall und Feld voll einsetzen musste. Trotzdem durfte er als Ältester von vier Geschwistern eine recht unbeschwerte, glückliche Jugend verbringen, wenn sie auch alle sehr früh zur Verrichtung der Arbeit in Stall und Feld eingesetzt wurden. Diese Arbeit jedoch, der Umgang mit dem Vieh, bereitete ihm viel Freude.

Von seinem Vater erbte Hans die musikalische Begabung. So durfte er schon als achtjähriger Bub von seinem Vater das Violinspiel erlernen, und bald konnte er einige Volkslieder und Tänze spielen.

 

Die Schulen

Die Schulen besuchte er in seinem Dorf Weite. Sehr oft wurde er vom Lehrer im jeweiligen Gesangsunterricht zum Vorsingen aufgefordert. Das Singen und Musizieren bereitete ihm sehr viel Freude und Spass. So gelang es ihm, dass er bereits mit 14 Jahren neben der Violine auch auf einem achtbässigen Schwyzerörgeli einige zum Teil recht anspruchsvolle Tänze spielen konnte. Es ist deshalb sicher verständlich, wenn es nun sein Wunsch war, sich in einem Konservatorium zum Berufsmusiker ausbilden zu lassen. Nun, es sollte nicht sein. Nachdem 1933 (im Jahre seiner Konfirmation in der Kirche Gretschins) die Strickerei zusammenbrach und sich bis zum Ausbruch des 2.Weltkrieges eine grosse Krise bemerkbar machte, verzichtete er auf seinen Traumberuf. Da ja auch sein Vater die Arbeit verlor, half Hans Müller seinen Eltern etwas Geld verdienen (seine Geschwister waren noch im Schulalter).

 

Die ersten Arbeitsplätze

In einer Zwirnerei fand er eine Arbeit mit einem Anfangslohn von 25 Rappen die Stunde. Das waren damals dem Alter entsprechend die Lohnansätze, denn unzählige Lehrer und andere Berufsleute waren arbeitslos, und man musste froh sein, überhaupt eine Arbeit zu bekommen. Als höchster Stundenlöhner in seiner Abteilung (48 Rappen) wechselte er dann von der Zwirnerei in die Weberei, um sich nach dreijähriger Praxis in der Webschule Wattwil SG zum Webermeister ausbilden zu lassen. Nach einem Jahr Webschule Wattwil bekam er im Jahre 1942 seine erste Anstellung als Webermeister in der Weberei Haag AG in Münchwilen TG, wo er sich im gleichen Jahr verheiratete. Wenn ihn der nun erlernte Beruf Webermeister auch nie hundertprozentig befriedigte, so führte er seine Arbeit doch stets zur Zufriedenheit seiner Arbeitgeber aus, was seine Zeugnisse beweisen.

 

Der erste Jodlerklub

In der orientierungshalber kurz erwähnten Berufslehrzeit hat Hans Müller selbstverständlich die Musik nie in den Hintergrund gestellt. Im Gegenteil, wo es Gelegenheit zum Singen und Musizieren gab, war er stets dabei, und so wurde die Musik immer mehr zum Nebenberuf. Im Jahre 1942 trat er dem damaligen Jodelchörli Edelweiss Münchwilen als 1.Tenor bei. Bereits ein halbes Jahr später war er 1.Jodler dieses Klubs. Im Jahre 1945 übernahm er als Laiendirigent das Jodelchörli. Das erste Lied, welches er mit dem Klub einstudierte, war „Gott schütz mis Land“ von Röbi Fellmann. Wenn es Jodler- und Dirigentenkurse gab, war er immer dabei, um das nötige Rüstzeug zu holen, das man als Jodler und Dirigent braucht.

Inzwischen trat das Jodelchörli Münchwilen auch in den NOSJV ein, und bereits am Jodlerfest Weinfelden 1947 war es erstmals an einem Jodlerfest mit dabei und holte sich mit Röbi Fellmanns „Am Sonne-n-egge“ die Note „Gut-Sehr gut“ (Klasse 2), und die Freude war unbeschreiblich gross.

 

Nun war der Grundstein für ihn als Dirigent gelegt, die Feuerprobe bestanden, und er bekam auch gleich Anfragen zur Übernahme der Jodlerklubs Aadorf und Weinfelden und des Berner-Jodlerklubs Aadorf, welche er alle übernahm. Auch hatte sich inzwischen auf Anregung von Hans Müller versuchsweise eine Gemischte Jodlergruppe gebildet, die dann wegen des grossen Erfolges auch weiter bestehen blieb, was für ihn pro Woche zwei Proben nebst der andern drei Klubs ergab.

 

Die ersten Kompositionen

Im Jahre 1949 entstand seine erste Eigenkomposition „I der Frömdi“, welche er mit drei weiteren Erstlingswerken dem Meister Röbi Fellmann zur Begutachtung unterbreitete. Röbi, wie man ihn nannte, hat ihn mit einem sehr netten Brief zu sich nach Baar ZG eingeladen, was ihn natürlich sehr freute, denn er dachte sich, wenn ihn Röbi zu sich rufen lässt, kann seine erste Arbeit auf kompositorischem Gebiet doch nicht allzu schlecht sein. Er liess sich deshalb nicht zweimal bitten und fuhr los zu ihm nach Baar, wo er einige hochinteressante Stunden verleben durfte. „Ich sehe Röbi heute noch am Klavier sitzen und fragen: Warum hast du das so gemacht und nicht so? Das musst du so und so gestalten und schreiben!“ Er hat ihn belehrt und beraten und schliesslich mit aufmunternden Worten gesagt: „Du bist trotz der gemachten Fehler auf dem richtigen Weg, du brauchst dich deiner Arbeit absolut nicht zu schämen, nur musst du noch vieles dazu lernen, Harmonie und Kompositionslehre studieren. Und eines sage ich dir: Lass dich dabei nicht entmutigen, wenn dich gewisse Leute am Aufkommen hindern wollen. Es ging mir selber nicht besser!“. Diese Worte hat er nie vergessen, denn er konnte später wohl sagen: Sie sind wahr!

Vor Röbis Ableben durfte er noch zweimal seine wertvollen Ratschläge bei ihm zu Hause in Baar entgegennehmen. Nach dem allzu frühen Tode Röbis hatte er dann das Glück, dass sich Hans Walter Schneller, ebenfalls ein grosser Meister auf kompositorischem Gebiet, sich seiner annahm und sich bereit erklärte, ihm behilflich zu sein. Er durfte einige Male zum ihm nach Zürich fahren, und Hans Walter hat etliche Stunden für ihn geopfert. Er hat auch von ihm sehr viel gelernt.

Hans Müller’s Kompositionen, es sind rund 170, strahlen echte Bergfrische aus, vermeiden deshalb das Flache, Sentimentale. Echt und wohlklingend erfreuen die Jodel und verraten die Verbundenheit zum Naturjodel. Nachdem er anfänglich die Texte selber schrieb, vertonte er später Gedichte von Beat Jäggi und Hans Stalder. Einige seiner beliebten Jodellieder sind "Sunntig“, "Worum",  "z schöni Ländli", "i dä Frömdi", "Singed“, "Früehligszyt“, "Jutze, Singe“, "Bärgland“, "Jodlerfründe“, "z’Alp“, "Puurelüüt“, "Abedsunne“, "Bi de Jodler“.

 

Im Kanton Appenzell

Im Jahre 1953 hat er dann den Thurgau verlassen und wechselte nach Teufen AR, wo er als Webermeister bei der Firma Schläpfer & Co angestellt wurde. 1954 gründete er den Jodlerklub Teufen, wo er sich nebst dem geschriebenen Jodellied mit dem Naturjodel vertraut machte und sich für den NOSJV als Jodellehrer zur Verfügung stellte und einige Kursteilnehmer zu Jodlern ausbildete.

 

Im Toggenburg

Im Jahre 1961 hat ihn das Toggenburg angelockt. Die Firma Meyer-Meyor, deren Sohn Eduard, der mit Hans Müller zusammen die Webschule besucht hatte, offerierte ihn eine Anstellung als Webermeister, jedoch mit finanzieller Verbesserung. Er nahm das Angebot an und konnte sich bei dieser Gelegenheit auch noch mit dem Toggenburger-Naturjodel vertraut machen. Schon bevor er in Neu-St-Johann wohnhaft war, fragte ihn Jakob Waespi, ob er den Jodlerklub „Männertreu“ Nesslau übernehmen würde, da Jakob aus Gesundheitsrücksichten abbauen möchte. Obwohl er noch jede Woche zur Probe nach Teufen und nach Münchwilen (je 80 km retour) fahren musste, übernahm er den JK Nesslau. 1963 übernahm er zusätzlich noch den Jodlerklub „Säntisgruess“ Wildhaus und amtete gleichen Jahres erstmals als Kampfrichter am NOSJV-Jodlerfest in Glarus. Da inzwischen der JK Teufen einen Dirigenten in der Nähe fand, gab er diesen Klub auf, bekam aber gleichzeitig Ersatz durch die Übernahme der Trachtengruppe Nesslau und des Gemischten Jodlerchörli des Bernervereins Wattwil und Umgebung, sowie des Werkmeisterchörli der Sektion Wattwil.

 

Gesundheitliche Probleme

Am 10.Januar 1968 erlitt Hans Müller einen Herzinfarkt und musste fünf Monate Arbeit und Proben einstellen. Schliesslich entschloss er sich, aus gesundheitlichen Gründen und mit dem Einverständnis seiner lieben Frau, den verantwortungsvollen Posten bei der Firma Meyer-Meyor aufzugeben. Seit 1964 war er hier Disponent und Stütze des Betriebsleiters. So erwarb Hans das seit dem Tode seines Vaters leer stehende Elternhaus in seiner Heimat Weite. Glücklicherweise erholte er sich von seinem Herzinfarkt wieder so gut, dass er wieder voll arbeitsfähig war und bei der hiesigen Firma Balzers AG eine interessante Beschäftigung als Inventurbeamter bekam, der ihn beruflich wie finanziell voll befriedigte. Aber auch die musikalische Laufbahn wurde fortgesetzt. Er fuhr noch einige Jahre nach Nesslau und nach Wildhaus zur Probe.

 

Ehrungen

Im Jahre 1982 wurde Hans Müller-Luchsinger die Ehrenmitgliedschaft des NOSJV verliehen. Einige seiner geleiteten Klubs haben ihn ebenfalls zum Ehrenmitglied ernannt. Eine weitere, bedeutende Ehrung erfuhr er im Dezember 1982. In Brünn, der bekannten Musikstadt der ehemaligen Tschechoslowakei, erhielt er für seinen unermüdlichen Einsatz als Jodlerkomponist den akademischen Titel „MUSTr“ (Moraviesis Universitas Straecorum). Mit dieser Auszeichnung wurde zugleich dem schweizerischen Jodelgesang international hohe Anerkennung gezollt.

 

Zusammenfassung seiner Tätigkeit (bis 1986)

 

1942 – 1945 als Tenor und 1.Jodler vom Jodlerchörli „Edelweiss“ Münschwilen TG

1945 – 1952 als Dirigent des Jodelchörli „Edelweiss“ Münchwilen TG

1947 – 1952 als Dirigent sowie Mitgründers der Gem. Jodlergruppe Münchwilen TG

1960 – 1968 als Dirigent der Gem.Jodlergruppe Münchwilen TG

1947 – 1953 als Dirigent und Jodler des Jodlerklub Weinfelden

1947 – 1953 als Dirigent des Jodlerklub des Bernervereins Aadorf

1947 – 1953 als Dirigent des Jodlerklub Aadorf

1953 – 1960 als Gründer und Dirigent des Jodlerklub „Heimelig“ Münchwilen TG

1954 – 1962 als Gründer und Dirigent des Jodlerklub Teufen AR, auch als Jodler

1961 – 1972 als Dirigent des Jodlerklub „Männertreu“ Neu-St-Johann-Nesslau

1963 – 1969 als Dirigent der Gem.Trachtengruppe Neu-St-Johann-Nesslau

1963 – 1968 als Dirigent der Gem.Jodlergruppe des Bernervereins Wattwil-Umgebung

1963 – 1980 als Dirigent des JK „Säntisgruess“ Unterwasser-Wildhaus

1963 – 1975 als Dirigent und Jodler des Werkmeisterchörli Wattwil-Umgebung

ab 1972 als Dirigent des JK Alvier-Sevelen

ab 1974 als Dirigent des JK Altstätten

1974 – 1978 als Dirigent des Jodlerklub Pizol Vilters

1969 – 1984 (mit Unterbruch) als Dirigent (8 Jahre) des Männerchor und Gem.Chor Weite/Oberschan

1976 – 1980 JK Bergfinkli Grabs monatlich etwa 1 Probe als Dirigent (Naturjodel)

1951 für 3 Monate Dirigent in Vertretung JK Amriswil, Stadtjodler Kreuzlingen, JK Berg TG

1953 – 1960 als Jodellehrer des NOSJV

ab 1963 als Kampfrichter des NOSJV sowie des EJV

1982 Internationale Ehrung des Konservatorium in Brünn (Tschechoslowakei)

1982 Ehrenmitglied des NOSJV

1981 Ehrenmitglied des JK Alvier Sevelen

1984 Ehrendirigent des JK Altstätten

ab 1949 entstanden aus seiner Feder rund 170 Eigenkompositionen wovon 20 mit

eigenem Text, sowie 20 Kompositionen für Ländlermusik

1932 – 1938 spielte er in der damals bestbekannten Ländlerkapelle Alvier Weite als

1.oder 2.Geiger, oder mit Handharmonika oder Bassgeige

 

Laut Auszug aus den jeweiligen Festberichten erzielte er mit obgenannten Chören in 43 Vorträgen die Note „sehr gut“ und 14 Mal die Note „gut“.

 

Quellen: Buch 75 Jahre EJV, verschiedene Ausgaben „Bärgfrüehlig“, Eigenbiographie aus dem Jahre 1976

Zusammenfassung laut eigener Liste

Stand 2.1.2009 TA